#06 – Vergeben: echter Frieden oder versteckte Gewalt?
Shownotes
Herzlich willkommen zu meinem Podcast „Psychologie trifft Spiritualität“ – ein Podcast für eine neue Begegnung mit Dir selbst.
Mein Name ist Maria Sanchez und in dieser Folge möchte ich Dich einladen, etwas in den Blick zu nehmen, was ein verborgener Stolperstein auf einem inneren Weg sein kann: das Thema „Vergeben“. Warum uns diese so weit verbreitete Praktik dennoch auf unserem inneren Weg große Probleme bereiten kann, darum geht es in dieser Folge.
Ich wünsche Dir inspirierende und nährende Momente beim Hören. Über Rückmeldungen in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen.
Deine Maria Sanchez🌷
▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬
❤️ Abonniere gern diesen Podcast, um keine Folge mehr zu verpassen!
▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬
Der Podcast ist auch auf allen gängigen Plattformen verfügbar.
Du findest alle Plattformen zum Anhören auch hier.
▬▬ Buchempfehlung: „Der blinde Fleck. Unsere psychischen und psychosomatischen Symptome als stärkste Verbündete“ ▬▬▬
https://www.mariasanchez.de/buecher-audio/der-blinde-fleck/
▬▬ Website ▬▬
▬▬ Online-Kurse ▬▬
https://www.mariasanchez.de/veranstaltungen/online-kurse/
▬▬ Präsenz-Seminare in Hamburg ▬▬
https://www.mariasanchez.de/veranstaltungen/praesenz-seminare/
▬▬ Videoempfehlungen ▬▬
• „Die zwei Seiten der Resilienz“
• „Das Geheimnis Deiner Emotionen“
▬▬ Newsletter ▬▬
https://www.mariasanchez.de/newsletter/nl-anmelden/
▬▬ Social Media ▬▬
• Facebook: https://www.facebook.com/mariasanchez
• Instagram: https://www.instagram.com/mariasanchez.de/
• YouTube: https://www.youtube.com/@maria-sanchez-ec-suh
• Linktree: https://linktr.ee/mariasanchez.de
▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬ ▬▬
Transkript anzeigen
0:00Wenn Du Angst hast, dass Dein Zorn wieder in Dir aufkommen könnte, dann frage ich mich, ob er eventuell nie wirklich weg war. Manchmal ziehen wir uns ein „Vergebungskleid“ an und hoffen dadurch, etwas innerlich befrieden zu können. Aber alles, was wir innerlich aktiv befrieden wollen, ist nicht wirklich befriedet, denn ein echter innerer Frieden setzt ein Daseinsrecht voraus.
0:29Hallo und herzlich willkommen zu meinem Podcast „Psychologie trifft Spiritualität“ – ein Podcast für eine neue Begegnung mit Dir selbst. Mein Name ist Maria Sanchez und ich freue mich sehr, dass Du da bist.
0:54Zuallererst möchte ich Dir von Herzen ein gutes neues Jahr wünschen. Ich hoffe, dass Du einen schönen Jahresausklang hattest und dass Du auf eine für Dich stimmige Weise dieses neue Jahr begrüßen konntest. In dieser Folge möchte ich Dich einladen, etwas in den Blick zu nehmen, was ein verborgener Stolperstein auf einem inneren Weg sein kann. Und zwar geht es um das Thema „Vergeben“.
1:25Warum uns diese so weit verbreitete – man kann ja sagen, weltweit verbreitete– Praktik, die ja in der Regel in guter Absicht gemeint ist, dennoch auf unserem inneren Weg große Probleme bereiten kann, darum geht das in dieser Folge. Ich wünsche Dir inspirierende Momente beim Hören.
1:52Als ich mich vor mehr als 25 Jahren durch meinen eigenen extremen Heilungsweg sehr intensiv mit dem Thema „Vergeben und Verzeihen“ innerlich auseinandersetzen musste, weil es von dem, was in mir aufkam, gar nicht anders ging, war es anfangs für mich schwierig, weil ich in meinen tiefergehenden inneren Begegnungen mit mir selbst in Bezug auf das Thema „Vergeben und Verzeihen“ zu ganz anderen Schlussfolgerungen kam als das, was man im Allgemeinen dazu lesen oder hören konnte.
2:28Das war für mich damals wirklich sehr irritierend. Mittlerweile gibt es diese Irritationen seit vielen Jahren nicht mehr und Grund dafür waren nicht nur tiefe, heilsame Erlebnisse, die sich damals in den darauffolgenden Jahren auf meinem weiteren eigenen inneren Weg erfahrungsbasiert in mir festigen konnten, sondern auch die vielen Erfahrungen, die ich in der traumatherapeutischen und auch in der spirituellen Begleitung mit Menschen sammeln durfte.
3:01Und das, obwohl das Angebot an Vergebungsritualen ja eher immer mehr zugenommen hat. In den vergangenen Jahren hab ich ja bereits einiges in unterschiedlicher Form dazu veröffentlicht.
3:15Aber da mir auf meinen Veranstaltungen immer wieder Fragen zum Thema „Vergeben“ gestellt werden, möchte ich auch hier in meinem Podcast gern ein paar Worte dazu sagen. Auch zum Thema „Dankbarkeitsrituale“ werden mir immer wieder Fragen gestellt und sehr gern möchte ich hier schon einmal die Ankündigung machen, dass wir auch dieses Thema, das Thema „Dankbarkeit“/“dankbar sein“ in einer gesonderten Podcast Folge beleuchten werden.
3:48Weihnachten liegt noch nicht so lange zurück, also eine Zeit, in der viele Menschen – auch durch unsere kulturelle Prägung – mit dem Thema „Vergeben und Verzeihen“ in Kontakt waren. Manchmal ruft der Kontakt mit diesem Thema bei manchen Menschen angenehme Empfindungen hervor und manchmal genau das Gegenteil.
4:11Manche Menschen reagieren ja fast allergisch, wenn sie das Thema „Vergeben und Verzeihen“ hören. In jedem Fall kann es sich auf einem psychologischen und/oder spirituellen Weg sehr lohnen, sich die Dynamiken dahinter genauer anzuschauen, da sie, wie ich eingangs meinte, immer wieder zu einem versteckten Stolperstein werden können.
4:35Und um ganz praxisnah einzusteigen, möchte ich Dir gern von einem Gespräch mit einer Frau berichten. Sie kam auf eine meiner Veranstaltungen auf mich zu, als es auf dem Seminar darum ging, mithilfe einer bestimmten Übung inneren Seiten neu begegnen zu können. Sie sagte mir, dass sie bereits seit einigen Jahren regelmäßig an Vergebungsritualen teilnehmen würde und ihr das sehr geholfen hätte, nicht mehr so zornig zu sein.
5:05Und dass sie, wenn sie jetzt tiefer nach innen blicken würde, Angst hätte, dass der Zorn dann wieder in ihr aufkommen könnte. Wir sprachen dann eine Weile darüber und ich sagte zu ihr: „Wenn Du Angst hast, dass Dein Zorn wieder in Dir aufkommen könnte, dann frage ich mich, ob er eventuell nie wirklich weg war.“
5:30Manchmal ziehen wir uns ein „Vergebungskleid“ an und hoffen dadurch, etwas innerlich befrieden zu können. Aber alles, was wir innerlich aktiv befrieden wollen, ist nicht wirklich befriedet, denn ein echter innerer Frieden setzt ein Daseinsrecht voraus. Und die Seite in uns Menschen, die etwas befrieden will, Ist in der Regel eine Seite, die sich zum Beispiel genervt oder überfordert fühlt oder, wie in Deinem Fall, eine Seite, die Angst vor dem Zorn hat.
6:08Diese Seite kann dem Zorn kein Daseinsrecht geben, denn sie will ja die Befriedung, damit der Zorn nicht mehr da ist. Mit weiteren sehr behutsamen Schritten an ihrer Angst entlang wurde im Laufe des Seminars deutlich, wie viel Wut in dieser Frau in der Tiefe atmete und wie verboten es ihr innerlich noch war, diese Wut zu empfinden und zu zeigen.
6:41Zum Ende des Seminares sagte sie mir, dass sie ihre Wut durch diese regelmäßigen Vergebungsrituale tatsächlich nicht mehr gefühlt hat, obwohl sie jetzt sehr klar spüren könne, dass sie die ganze Zeit da war.
6:57Da Wut eine große Kraft in sich birgt, stand dieser Frau diese, ihre Kraft nicht zur Verfügung, und da man eine Menge an Gegenkraft benötigt, um eine Wutkraft unten zu halten, wunderte es mich nicht, dass die Frau in ihrem Alltag mit einer starken Erschöpfung zu tun hatte.
7:20Der Zuckerguss der Vergebung hatte ihr auf oberen Bewusstseinsebenen zwar einen süßen Geschmack beschert, während sie jedoch in der Tiefe im wahrsten Sinne des Wortes sauer war. Wenn ich mich zum Thema „Vergeben und Verzeihen“ mit Menschen unterhalte und ich sie frage, was denn ihr Antrieb für das Vergeben sei, dann können zu Beginn des Gesprächs natürlich ganz unterschiedliche Antworten aufkommen, zum Beispiel, dass jemand sagt: „Ich möchte der Liebe dienen“ oder „Ich möchte die emotionale Last nicht mehr tragen müssen“.
8:00Aber wenn ich dann weiterfrage, was kannst Du denn, um bei unserem Beispiel zu bleiben, wenn Du der Liebe dienst oder wenn Du die emotionale Last nicht mehr tragen musst, dann geht es fast immer um eine Antwort, die die Ausrichtung hat:
8:09Dann kann ich endlich Frieden finden. Wenn das aber der Fall ist, dann geht es primär ja nicht um Vergeben, sondern um den Wunsch nach Frieden. Und nun könnte man sich natürlich noch weitere Fragen dazu stellen, nämlich erstens:
8:37Warum glauben wir denn, dass innerer Frieden nur in Verbindung mit Vergeben entstehen kann? Meine Erfahrung ist da eine völlig andere. Und zweitens, wenn es der Person, die ein Vergebungsritual durchführt, vor allem darum geht, dass sie innerlich Frieden findet, ist das dann nicht ein sehr egoistischer Akt? Wenn aber doch Vergebung etwas mit Liebe zu tun hat, wie passt denn dann dieser egoistische Akt hier rein?
9:13Vergeben, das mit einem „um zu“-Denken zu tun hat, hat aus meiner Sicht nichts mit Liebe zu tun, denn Liebe atmet nicht in Kategorien von „um zu“ oder „wenn ... dann“. Vergebung, wie auch innerer Friede, kann man nicht machen, sondern Vergebung und innerer Friede geschehen.
9:39Die Voraussetzung dafür ist, dass wir durch einen inneren emotionalen Reifungsprozess authentisch in uns spüren können, dass beides natürlicherweise, und das ist wichtig, natürlicherweise in uns atmet. Dafür müssen wir nichts tun, sondern es entsteht.
10:00Ohne, dass alle dazugehörigen Seiten in uns mit offenem Ausgang erspürt und erhört wurden, wird Frieden nicht natürlicherweise in uns atmen können. Dieser innere emotionale Reifungsprozess kann aber auch dazu führen, dass wir den Frieden in uns gerade dadurch finden, dass wir eben nicht vergeben – dazu gleich noch mehr.
10:27Das klingt vielleicht für manche etwas seltsam, weil wir durch unsere christlich-kulturelle Prägung Frieden und Vergebung immer automatisch gekoppelt haben. Wenn dies bei Dir so sein sollte, möchte ich Dich von Herzen einladen: Erlaube Dir das ganze Thema mit offenem Ausgang tiefergehend zu erforschen. Mach Deine Erfahrung damit.
10:54Dies gilt übrigens auch für den Fall, dass Du eine emotional allergische Reaktion auf dieses Thema hast. Denn, ob wir eine Dynamik in uns haben, die sagt „Ich muss vergeben, sonst ...“ oder eine Dynamik in uns haben, die sagt „Ich werde niemals vergeben“ – in beiden Fällen lohnt es sich zu überprüfen, wer eigentlich hier das innere Steuer in der Hand hält.
11:22Denn frei sind wir in beiden Fällen nicht. Was es für uns oftmals auch schwierig macht zu glauben, dass Vergeben, Verzeihen und Liebe nicht miteinander gekoppelt sein müssen, liegt unter anderem auch am Folgenden: zu vergeben oder zu verzeihen macht nur dann Sinn, wenn wir auch die Möglichkeit haben, dies nicht zu tun.
11:49Und da dies in letzter Konsequenz nur für uns als erwachsene Person gilt, nähern wir uns dem Thema also aus einer Erwachsenenperspektive an. Wenn wir weiter davon ausgehen, dass wir als erwachsene Person durch unsere Kindheit geprägt wurden – und ich denke, dass es kaum eine psychologische Ausrichtung geben wird, die heutzutage nicht davon ausgeht, dass uns unsere Kindheit geprägt hat –
12:17dann lohnt es sich, auf das Thema „Vergeben und Verzeihen“ auch von einem ganz anderen Blickwinkel drauf zu schauen, wenn wir noch Verletzungen aus unserer Kindheit in uns tragen. Denn dann stellt sich die Frage, ob kindliche verletzte Seiten in uns genau derselben Meinung sind wie die erwachsene Seite.
12:41Aus meiner Erfahrung heraus in der Begleitung von Menschen wage ich zu sagen, dass das fast nie der Fall ist. Als erwachsene Person, die vielleicht sogar schon selber Kinder hat, können wir beispielsweise ein tiefes Mitgefühl für die Geschichte unserer Eltern haben, zum Beispiel ein tiefes Mitgefühl dafür, wie schwer es unsere Mutter in ihrer Kindheit hatte und was sie in ihrem Leben erleiden musste.
13:13Aber das ist meine Wahrnehmung als erwachsener Mensch. Das ist die eine Ebene in mir. Auf einer ganz anderen Ebene, nämlich der verletzten kindlichen Ebene in mir, könnte ich, obwohl ich als erwachsene Person ein Mitgefühl spüre, gleichzeitig eine starke Wut auf meine Mutter haben für das, was sie mir angetan hat. Vielleicht habe ich auch eine starke vorwurfsvolle Anklage in mir, die sich gegen sie richtet.
13:47Wir Menschen sind vielschichtige Wesen, das heißt, beide Seiten können gleichzeitig in uns aktiv sein. Berücksichtigen wir dies nicht, gibt es immer nur ein Entweder-oder: Entweder ich habe ein Mitgefühl mit meinen Eltern oder ich bin verletzt und habe gar kein Mitgefühl.
14:11Das Ergebnis ist, wir landen innerlich in einem emotionalen Knäuel. Wir bleiben dann im Entweder-oder-Modus immer wieder stecken und tragen viel Spannung in uns, die wir durch Ablenkungs- oder Abdämpfungsmittel oder Ablenkungs- oder Abdämpfungshandlungen irgendwie zu handhaben versuchen und können dadurch keiner der beiden Seiten in uns gerecht werden.
14:41In diesem Entweder-oder-Modus haben übrigens manche innere Kritiker Hochkonjunktur. Denn wenn uns nicht klar ist, dass wir diese zwei Ebenen in uns haben, dann kann es zu der Situation kommen, dass wir beispielsweise wütend auf unseren Vater sind und ein innerer Kritiker uns genau dafür verurteilt, weil wir aus seiner Sicht so herzlos sind.
15:09Unser innerer Kritiker könnte dann etwas sagen, was in die Richtung geht: „Was stellst Du Dich nur so an? Das ist wirklich schlimm, was Du hier tust. Sei mal ein bisschen verständnisvoller. Dein Vater hat es in seinem Leben wirklich nicht immer leicht gehabt und Du weißt doch, dass er es nicht böse gemeint hat“. In so einer Dynamik festzustecken, kann sehr schmerzhaft sein.
15:37Denn wir wissen dann innerlich einfach nicht mehr, wohin. Ein Beispiel, dass ich in diesem Zusammenhang gerne anführe, ist das mit einem realen Kind. Wenn ich ein reales Kind habe und ich mitbekomme, dass mein Kind von einem Mann oder von einer Frau verletzt wurde und ich mit meinem Kind spreche und fühle, wie wütend es ist oder wie viel Angst es hat, dann kann man mir zwar die Lebensgeschichte von der verletzenden Person erzählen und vielleicht wird mich diese Lebensgeschichte auch sehr berühren und vielleicht kann ich sogar ein tiefes Mitgefühl für die Tragik dieses menschlichen Lebens empfinden.
16:23Eventuell hat sie nicht einmal vorgehabt, meinem Kind weh zu tun, und es geschah trotzdem, es gab also keine böse Absicht, aber es ist geschehen.
16:34Ich kann das vielleicht alles verstehen, aber meine Aufgabe besteht doch darin, voll und ganz zu meinem Kind zu stehen. Wenn ich das nicht tue, begehe ich emotionalen Hochverrat, selbst wenn die verletzende Person um Entschuldigung bittet, muss mein verletztes Kind diese Bitte um Entschuldigung nicht annehmen.
17:01Es kann sein, dass die Bitte angenommen wird. Es kann aber auch sein, dass sie nicht angenommen wird. Ob eine Bitte um Entschuldigung innerlich von uns getragen werden kann oder nicht, hat nichts mit einem mentalen Prozess zu tun, sondern ist, wie schon erwähnt, aus meiner Erfahrung heraus das Ergebnis eines emotionalen Reifungsprozesses.
17:28Ein innerer Weg muss alle Optionen offenhalten. Es gibt vielleicht Dinge, die Dir geschehen sind, die für Dich nicht zu verzeihen sind. Das ist in Ordnung. Wenn Du das in Dir so spürst, dann ist es wichtig, innerlich genau damit in Einklang zu kommen. Sollte die Person, die verletzt hat, nicht mal für ihre von ihr begangenen Verletzungen um Entschuldigung bitten, könnte es auch wichtig sein, zu überprüfen, ob es eine bestimmte Dynamik in uns gibt, die das verletzende Verhalten dennoch entschuldigen möchte.
17:58Denn in dem Fall würde sich die verletzende Situation ja jederzeit wiederholen können. Natürlich kann sich eine Verletzung auch wiederholen, obwohl jemand uns um Entschuldigung gebeten hat.
18:25Denn nur weil jemand die entsprechenden Worte sagt, muss es noch lange nicht bedeuten, dass sie sich damit inhaltlich auseinandergesetzt hat. Wenn jedoch niemand bei uns um Entschuldigung bittet, wenn uns niemand um Vergebung bittet, dann bedeutet dies, dass bei der verletzenden Person keine Bewusstseinsentwicklung stattgefunden hat.
18:49Vielleicht sieht sie die Dinge anders als wir. Okay, man kann ja auch über Dinge sprechen. Aber falls es sich für uns nicht stimmig anfühlt, könnte es interessant sein, sich mit folgender Forschungsfrage zu beschäftigen. Nämlich: Aus welcher Motivation heraus will ich jemandem verzeihen, wenn doch klar ist, dass diese Person es jederzeit wieder tun könnte?
19:18Bleiben wir noch einen Moment beispielhaft bei unseren Eltern. Es ist möglich, dass wir eine Liebe für unsere Eltern empfinden, obwohl sie nicht bei uns um Entschuldigung gebeten haben. Und es ist natürlich auch möglich, dass wir Kontakt mit ihnen haben möchten, auch wenn wir diese Bitte um Entschuldigung niemals hören werden.
19:42Da wir vielschichtige Wesen sind, können wir Kontakt zu ihnen haben und bestimmte Dinge, die geschehen sind, nicht verzeihen. Es gibt keine Regel. Wir dürfen offen sein in jede Richtung. Vergeben oder nicht vergeben, Kontakt mit oder ohne Entschuldigung oder auch gar keinen Kontakt. Liebe hat viele Facetten und sie beginnt in Dir.
20:12Es gibt noch einige weitere Aspekte, die man zum Thema „Vergeben und Verzeihen“ anführen könnte, aber damit es hier nicht zu lang wird, würde ich gern nur noch einen letzten Punkt nennen, der mir aus den Arbeiten mit Menschen besonders wichtig erscheint.
20:32Und zwar geht es dabei darum, dass sehr viele Kinder, die mit ihren Bezugspersonen Leidvolles erlebt haben, unbewusst die Fähigkeit entwickeln mussten, sich in die Schuhe ihrer Eltern zu stellen. Sie konnten nicht lernen, in ihren eigenen Schuhen zu stehen, sondern mussten, um ihr körperliches und emotionales Überleben zu sichern, die Fähigkeit entwickeln, sich in die Schuhe des anderen zu stellen.
21:01Manche erwachsene Menschen haben diese Fähigkeit so stark perfektioniert, dass ihnen gar nicht auffällt, dass ihr tiefes Mitgefühl für andere ihr tiefes Verständnis für andere hauptsächlich aus dieser inneren Not geboren wurde und somit an ein inneres Überlebensprogramm gekoppelt ist. Wenn diese Menschen als erwachsene Person innerhalb eines Vergebungsrituals anderen verzeihen, ohne dass sie sich tiefergehend mit der eigenen emotionalen Dynamik dahinter auseinandergesetzt haben, dann kann ein Vergebungsritual auf einer tieferen emotionalen Ebene gewaltvoll gegen sich selbst sein.
21:48Abschließen möchte ich diese Podcastfolge gern mit einem Zitat des deutschen Philosophen Walter Benjamin. Dieser sagte den wundervollen Satz:
21:59„Glücklich sein heißt, ohne Schrecken seiner selbst inne werden können.“ In diesem Sinne würde ich mich sehr freuen, wenn Dir diese Podcastfolge eine Inspiration sein konnte, innere Dynamiken in Bezug auf das Thema „Vergeben und Verzeihen“ näher erkunden zu wollen.
22:22Ich freue mich, Dich beim nächsten Mal hier wieder begrüßen zu dürfen und wünsche Dir bis dahin von Herzen alles Gute. Deine Maria Sanchez.
Du möchtest mehr über Maria Sanchez‘ Herangehensweise erfahren? Erlerne die emotionale Selbstbegleitung. Weitere Informationen findest Du unter www.mariasanchez.de.
22:52Wenn Dir diese Podcastfolge gefallen hat und Du Marias Arbeit unterstützen möchtest, damit sie noch mehr Menschen erreichen kann, dann bewerte und teile sehr gerne diesen Podcast. Empfehle ihn weiter und abonniere ihn kostenfrei auf einer Plattform Deiner Wahl. Darüber hinaus wirst Du über neue Podcastfolgen dann auch immer als erstes informiert. Herzlichen Dank.
Neuer Kommentar