#11 – Sei Dein eigener Guru
Shownotes
Herzlich willkommen zu meinem Podcast „Psychologie trifft Spiritualität“ – ein Podcast für eine neue Begegnung mit Dir selbst.
Mein Name ist Maria Sanchez und in dieser Folge möchte ich – wie der etwas überspitzte Titel bereits erahnen lässt – über einen Aspekt auf dem inneren Weg sprechen, der mit einer heilsamen Selbstermächtigung zu tun hat, der jedoch leider auch sehr schnell übersehen werden kann. Es geht um die innere Lehrer:in und wie wichtig es ist, diese in sich zu entdecken.
Ich wünsche Dir inspirierende und nährende Momente beim Hören.🎧
Über Rückmeldungen in den Kommentaren würde ich mich sehr freuen.☀️
Deine Maria Sanchez 🌷
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Transkript anzeigen
Hallo und herzlich willkommen zu meinem Podcast „Psychologie trifft Spiritualität“. Ein Podcast für eine neue Begegnung mit Dir selbst. Mein Name ist Maria Sanchez und ich freue mich von Herzen, dass Du heute hier mit mir bist!
Bevor wir in diese Folge einsteigen, erlaube mir bitte, kurz noch auf etwas aufmerksam zu machen. Viele Menschen hören diesen Podcast und schreiben mir sehr berührende Rückmeldungen zu den Folgen. Jedoch haben mein Team und ich gesehen, dass ihn, im Verhältnis dazu, noch nicht so viele Menschen kostenfrei abonniert haben.
Wenn Du meinen Podcast als unterstützend empfindest, würdest Du ihm sehr helfen, wenn Du ihn auf der Abhör-Plattform Deiner Wahl kostenfrei abonnieren magst. Mit dieser kleinen Geste könntest Du seine Verbreitung unterstützen.
Darüber hinaus wirst Du über das Erscheinen jeder neuen Folge sofort und auch automatisch informiert. Ich danke Dir von Herzen, wenn Du das tun magst!
Nun zu dieser Podcastfolge:
In dieser Folge möchte ich – wie der etwas überspitzte Titel bereits erahnen lässt – über einen Aspekt auf dem inneren Weg sprechen, der mit einer heilsamen Selbstermächtigung zu tun hat, der jedoch leider auch sehr schnell übersehen werden kann. Es geht um die innere Lehrer:in und wie wichtig es ist, diese in sich zu entdecken.
Ich wünsche Dir inspirierende Momente beim Hören!
Bei uns im Westen ruft der Begriff „Guru“ – wenn wir ihn nicht einfach lapidar umgangssprachlich als alternatives Wort für jemanden verwenden, der sich in einem bestimmten Bereich gut auskennt (z. B. ein Mode- oder Gesundheits-Guru) – sondern wenn wir den Begriff so verwenden, wie er ursprünglich gemeint ist – nämlich im spirituellen Kontext – dann ruft der Begriff „Guru“, anders als in anderen Kulturen – bei uns oftmals keine so positive Assoziation hervor.
Der Grund dafür liegt darin, dass wir damit in der Regel eine Abhängigkeit zu jemanden verbinden. Jemand, der Macht über uns ausübt, der uns vielleicht sogar in finanzieller Hinsicht ausbeutet usw. Und leider gibt es dafür ja auch nicht wenige Beispiele, wo genau dies geschehen ist.
Wenn ich den Titel „Sei Dein eigener Guru“ für diese Folge wähle, dann meine ich den Begriff „Guru“ natürlich nicht in dieser negativen oder in der umgangssprachlichen Bedeutung, sondern in seiner ursprünglicheren Ausrichtung. Und da könnte man den Begriff Guru, dessen Wurzeln im Sanskrit liegen, mit „Lehrer“ übersetzen. Oder eine andere Übersetzung ist auch „Jemand, der von Dunkelheit zu Licht führt“. Das heißt, er steht für ein Begleitetsein auf dem spirituellen Weg, das der Schüler:in hilft, sich selbst in dem, was vielerorts „Die wahre Natur des Menschen“ genannt wird, zu finden.
Wenn es also in dieser Folge heißt: „Sei Dein eigener Guru“, dann möchte ich auf die Bedeutung des eigenen inneren Lehrers hinweisen und damit automatisch auch auf die eigene innere Schülerschaft. Das klingt vielleicht noch etwas abstrakt, aber das wird sich im weiteren Verlauf dieser Folge ganz sicher klären.
Zu Beginn möchte ich Dich gern einladen, Deinen Blick mit mir in eine Zeit zu richten, in der sich in uns etwas entwickelt hat, das ich „Das biografische Schutzprogramm“ nenne. Wenn Du meine Arbeit kennst – und auch meine Bücher –, dann wird Dir dieser Begriff sicher bekannt sein.
Sollte Dir meine Arbeit aber noch nicht vertraut sein, dann sei an dieser Stelle – einfach um Missverständnisse zu vermeiden –, dann sei an dieser Stelle nur kurz erwähnt, dass das, was häufig als erstes mit dem Begriff „Biografisches Schutzprogramm“ assoziiert wird, nämlich dass wir in unserer Kindheit Verletzungen erlitten haben und wir daraufhin, zu unserem Schutz, Überlebensstrategien entwickelt haben, dass das nicht das ist, was ich unter dem „Biografischen Schutzprogramm“ verstehe. Es ist ein Teil davon, natürlich, aber nicht der zentrale.
Dass sich in uns zu Beginn unseres Lebens in unserer Kindheit, Abwehrmechanismen oder Bewältigungs- und Kompensationsstrategien entwickelt haben, um mit unaushaltbaren oder schwer aushaltbaren Empfindungen in uns einen Umgang finden zu können, das ist ein Wissen, das schon sehr lange existiert. Sigmund Freud hat darüber schon berichtet.
Wenn ich vom biografischen Schutzprogramm spreche und in dem Zusammenhang von einer neuen Psychologie – oder im spirituellen Bereich von einer neuen Annäherung an Spiritualität, dann meine ich damit nicht die Tatsache, dass wir Abwehrmechanismen, Bewältigungs - oder Kompensationsstrategien aufgebaut haben, sondern ich meine damit etwas, das noch weit darüber hinausgeht.
Es geht – in sehr kurzer Form beschrieben, denn das Ganze ist natürlich um einiges vielschichtiger – in sehr kurzer Form beschrieben, geht es vor allem um die Annäherung an diese inneren Bewältigungsstrategien. Und es geht damit einhergehend um das Wachwerden für die vielen blinden Flecke, die durch das biografische Schutzprogramm bei jedem Kontakt mit uns selbst – letztlich auch mit anderen, aber bleiben wir erst einmal bei uns selbst – dass bei jedem Kontakt mit uns selbst diese blinden Flecke in uns aktiviert sind – egal, ob wir psychologische Übungen durchführen, ob wir meditieren, ob wir uns in einer Therapiesitzung befinden oder jede andere Form der Selbsterkundung durchführen. Es geht um die Annäherung an uns selbst! Nicht allein um die Abwehrmechanismen, Bewältigungs- oder Kompensationsstrategien an sich.
Indem wir, wie ich es oft nenne, aus unserem biografischen Schutzprogramm aufwachen – und ich spreche absichtlich nicht von Integration, sondern vom Aufwachen, kann erst eine ganz neue und sehr tiefe Begegnung mit uns selbst in uns zu atmen beginnen. Eine Begegnung, in der Psychologie und Spiritualität natürlicherweise – und das ist mir immer wieder wichtig zu betonen – natürlicherweise ineinandergreifen.
Ich unterstreiche es deshalb hier noch einmal so stark, da sich sonst die Grundlage, auf der ich auch diese Folge hier aufbaue, gegebenenfalls nicht ausreichend erschließen könnte.
Soweit vielleicht erst einmal als kleine Einleitung und nun
gehen wir mehr in die Tiefe. Und dafür starten wir zunächst mit etwas, was in Bezug auf Abwehrmechanismen, Bewältigungsstrategien oder auch Kompensationsstrategien vielleicht schon etwas vertrauter ist, was ich aber gern noch einmal erwähnen möchte, um von dort aus dann weitergehen zu können.
Als wir Kind waren, sind wir unbewusst in einen Kampf gegen uns selbst eingetreten. Sehr vereinfacht gesagt, um es in diesen wenigen Minuten einer Podcastfolge so gut wie möglich darstellen zu können, haben wir schnell erfahren, dass, wenn ich so bin – z. B. nett, hilfsbereit, mitfühlend, mutig usw. –, dann bekomme ich Aufmerksamkeit, dann bekomme ich Zuwendung. Und wenn ich so bin – nämlich wütend, gierig, neidisch, usw. –, dann bekomme ich all dies nicht.
Damit entwickelt sich in uns als Kind, dass ich nur dann meinen Platz finden und dadurch Sicherheit und Schutz erhalten kann, wenn ich einem bestimmten Wunschbild entspreche. Und damit dies gewährleistet ist, muss ich als Kind beginnen, Seiten in mir, die diesem Wunschbild nicht entsprechen, zu bekämpfen.
Ich bekomme z. B. Anerkennung, wenn ich liebevoll zu anderen bin, und versuche dann, missgünstige und neidische Gedanken in mir vor anderen zu verstecken und mich innerlich irgendwie von ihnen zu distanzieren.
Dieser innere Kampf könnte beim Heranwachsen z. B. durch heftige innere Kritiker in mir deutlich werden, die mich dann stark für meine neidischen und missgünstigen Gedanken verurteilen – beispielsweise durch Sätze, die in die Richtung gehen: „Wenn die anderen wüssten, wie missgünstig Du bist, wären sie ganz sicher nicht mehr so nett zu Dir! Denn dann würden sie merken, wie verlogen Du eigentlich bist!“ Woraufhin wir uns dann noch mehr anstrengen, nett zu sein und wir die innere hohe Kampfspannung durch Abdämpfungsmittel, wie z. B. das emotionale Essen und oder der exzessive Gebrauch von digitalen Medien bewusst oder sehr viel häufiger unbewusst zu kontrollieren versuchen.
Wir beginnen gegen uns selbst zu kämpfen!
Das ist bei einer Person stärker und bei einer anderen Person weniger stark sichtbar, aber meiner Erfahrung nach entwickelt sich dieser Kampf bei jedem Kind in unserer Gesellschaft.
Als Kind hatten wir keinen Einfluss darauf. Wir haben aus einer Unbewusstheit heraus diese Strukturen in uns aufbauen müssen und aus dieser heraus in unserem Umfeld als Kind gelebt.
Als biologisch erwachsene Person, die wir heute sind, sieht die Sache anders aus. Heute können wir uns, durch die Fähigkeiten, die wir heute besitzen – z. B. die kognitive Fähigkeit, dass wir uns selbst unabhängig von außen erkunden und reflektieren können, aus einer anderen Position heraus uns uns selbst annähern.
Hinzu kommt: Als Kind lebten wir in völliger Abhängigkeit zu unseren Bezugspersonen. Als biologisch erwachsene Person tun wir dies faktisch nicht – auch wenn es sich mitunter so anfühlen kann. Mit anderen Worten: Wir haben in der heutigen Position, in der wir uns befinden – anders als als Kind – heute die Möglichkeit, den bewussten und auch den bisher noch unbewussten Persönlichkeitsstrukturen – die sich in unserer Kindheit aufgebaut haben – begegnen zu können.
Und nun kommt der entscheidende Punkt: Wir sind ja die Kinder unserer Eltern und unserer Gesellschaft. Das heißt, diese Denk- und Fühlweise „Nur wenn ich SO bin, bin ich richtig“ hat nicht nur unser Selbstbild geprägt, sondern geformt. Unser Ich-Empfinden hat sich maßgeblich daraus entwickelt.
Alles, was wir fühlen, denken und tun, alles, was wir zunächst– mit zunächst meine ich, ohne eine bestimmte Sensibilisierung dafür, ohne eine bestimmte Wahrnehmungsschulung dafür –, geht erst einmal automatisch durch diesen „Nur so bin ich richtig“-Filter, durch diesen Ich-Filter. Und dieser Filter hat als Grundlage einen inneren Kampf gegen die Seiten in uns, die diesem „So wäre es richtig und gut“-Empfinden nicht entsprechen.
Dieser Kampf gegen sich selbst, ist bei manchen Menschen, wie eben schon kurz erwähnt, sehr offensichtlich wahrnehmbar und bei anderen von außen kaum wahrnehmbar – also unglaublich subtil, aber dennoch automatisch immer präsent. Alles, was wir wahrnehmen, geht durch diesen Filter. Denn wir können nur aus unserem Ich heraus wahrnehmen.
Aus diesem Filter heraus versuchen wir Seiten in uns, die dem Wunschbild nicht entsprechen, wie ich oft sage, wegzuatmen, wegzumeditieren wegzutherapieren, wegzuintegrieren, wegzulieben usw. Sie müssen einfach weg. Darüber habe ich ja auch schon in vielen Publikationen gesprochen.
Zu Beginn können wir uns garnicht vorstellen, geschweige denn überhaupt wahrnehmen, wie subtil und wie weitreichend diese Dynamik in uns aktiv ist. Wenn sich der Blick für diese Dynamik erst einmal öffnet, ist es wirklich erstaunlich, wie massiv diese Dynamik bei uns Menschen wirkt. Es ist wie ein riesiger blinder Fleck, der von außen betrachtet, mit vielen Nebenströmungen permanent aktiv ist. Nicht nur individuell, sondern auch kollektiv.
Würde es nicht so viel Leid mit sich bringen, könnte man der Genialität der versteckten Wirkkraft dieses blinden Flecks großen Respekt zollen. Aber das Leiden, das damit einhergeht, ausgelöst durch die Auswirkung unseres biografischen Schutzprogramms auf psychische und psychosomatische Symptome ist bei manchen Menschen ja immens. Und dieses Leiden kann mitunter grausame Züge annehmen. Das kann wirklich seeehr schlimm sein.
Umso wichtiger ist es, dass wir den größeren Bogen darin immer wieder spürend erfahren können. Dass wir die Wirkkraft unseres biografischen Schutzprogramms immer wieder einordnen können, um nicht in ihr verloren zu gehen.
Nun ist alles, was wir in uns tragen, etwas, das zu uns gehört. Nicht im Sinne von „Siehst Du, Du bist ja selbst schuld. Du hast ja diese Seite in Dir!“, denn mit Schuld hat das, wovon ich hier spreche, gar nichts zu tun, sondern im Sinne von Verantwortung.
Leider wird Schuld und Verantwortung so oft verwechselt. Dabei sind es vollkommen verschiedene Universen. Sich schuldig zu fühlen, gehört zum biografischen Schutzprogamm. Denn dadurch bleiben wir wie in einem ewigen inneren Gefängnis stecken – während Verantwortung uns einlädt – so wie das Wort „Ver-Antwortung bereits aussagt –, auf Dynamiken in uns zu antworten. Oder, wenn wir das eben noch nicht können, zu lernen, auf sie zu antworten.
Bei echter Verantwortung ist kein „Du musst!“ involviert, weil Verantwortung keine mentale, sondern vor allem eine emotionale Angelegenheit ist, nämlich ein Reifungsprozess. Aber bevor ich diese Tür weiter öffne, notiere ich mir das Thema „Schuld oder Verantwortung“ lieber als eigenständige Podcastfolge, sonst kommen wir hier zu weit vom ursprünglichen Pfad ab.
Auch wenn wir als Kind in den inneren Kampf einsteigen mussten, so sind wir heute als biologisch erwachsene Person der Mensch, der diesen Kampf in uns aufrechterhält. Nicht bewusst, nicht freiwillig, aber dennoch sind wir es selbst, die das tun! Wir halten die Gewalt unserer Kindheit auf einer Ebene in uns aufrecht.
Und ich möchte noch einmal betonen, damit nicht, bildlich gesprochen, innere Kritiker ein Fest feiern: Ich spreche nicht von Schuld! Kein Mensch leidet freiwillig! Niemand tut das! Wenn ich das hier sage, dann bin ich an Deiner Seite!
Weil diese Kampf-Dynamik so stark in uns wirkt, tut es uns sooo gut, wenn es jemanden gibt, der uns einen Raum öffnet, welcher uns aus diesem inneren Kampf vorübergehend befreien kann. Dies geschieht entweder, indem ein Gegenüber Partei für die Seite in uns ergreift, die die störende Seite nicht haben will: also eine Person, die uns Tipps und Ratschläge gibt, wie wir die störende Seite – also die übermäßig essende, die depressive, die erschöpfte, die nicht-schlafen-könnende – wie wir diese Seite in den Griff bekommen oder uns von ihr distanzieren können. Nicht umsonst sind nach wie vor die psychischen und spirituellen Ratgeber-Bücher mit einfachen Strategien so erfolgreich. Oder es ist ein Gegenüber, eine Person, die mitfühlend einen Erlaubnisraum für uns öffnet – z. B. in der Therapie oder in einer spirituellen Sitzung – und die uns einlädt, dass wir uns in ihrem Erlaubnisraum von „Ich höre Dich, ich fühle Dich, ich sehe Dich“, dass wir uns in ihrem Erlaubnisraum angenommen fühlen.
Wenn wir zu jemanden gehen, der unseren inneren Kampf unterstützt, ist es nicht schwierig, nachzuvollziehen, dass wir uns zwar bestenfalls auf einer oberen Ebene vorübergehend selbstwirksamer fühlen können, aber auf einer tieferen Ebene bleiben wir in der viel grundlegenderen Kampf-Dynamik von „So bin ich richtig und alle Seiten, die dem nicht entsprechen können, möchte ich nicht haben!“ stecken.
Wir gießen Treibstoff in unser biografisches Schutzprogramm und wiederholen damit automatisch ungewollt die Verletzung unserer Kindheit: „So, wie Du bist, bist Du nicht oder noch nicht richtig! Sei anders!“
Aber auch wenn wir zu jemanden gehen, der uns einen Erlaubnisraum öffnet, sodass wir uns angenommen fühlen, kann es ein Problem geben: Denn wenn wir uns im Erlaubnisraum unseres Gegenüber wohl- und angenommen fühlen und wir uns aus diesem Erlaubnisraum heraus uns selbst annähern, gleiten wir sozusagen auf dem Rücken unseres Gegenübers durch die schwierigen Gewässer unseres Inneren. Dies kann natürlich sehr wertvoll und absolut notwendig sein, um überhaupt einen Beziehungsraum zu erfahren, den wir als Kind leider nicht erlebt haben. Das heißt, es kann eine wertvolle Referenz schaffen, wie sich ein Angenommensein anfühlen kann.
Es ist aber auch wichtig, nicht zu vergessen, dass wir heute nicht mehr einfach nur Kinder sind, die heranreifen, sondern dass wir bereits Erwachsene sind. Das heißt, Menschen mit einem bereits existierenden tiefen Ich-Empfinden, mit einem bereits tief existierenden Ich-Wahrnehmungsfilter, der schon zu unserer psychischen Persönlichkeits-DNA geworden ist. Wir sind, überspitzt gesagt, nicht eine leere Leinwand, auf der Erfahrungen gemacht werden können. Oder, wenn man es von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet: Wir sind nicht eine durch biografische Verletzungserfahrung geprägte „verformte Tonfigur“, die nun durch neue Beziehungserfahrungen in eine neue Position kommen kann – obwohl dies natürlich ebenfalls sehr wichtig sein kann. Sondern unser biografisches Schutzprogramm, unsere Ich-Filter-Denk- und Fühlweise befindet sich nicht nur in der Tonfigur, sondern bereits in der „DNA des Tons“. Das, wovon ich spreche, geht somit um eine gesamte Etage tiefer. Wir sind nicht mehr nur Kinder!
Anders gewendet: Wir können uns im Erlaubnisraum unserer Therapeut:in oder unserer Lehrer:in tief erleben und auch erkunden, aber die Instanz in uns, die in der Therapie oder bei einem spirituellen Setting ehrlich und auch authentisch gewillt ist, sich tiefer mit sich selbst, mit den inneren Leidensstrukturen oder mit dem Leben oder dem Höheren zu beschäftigen, ist nicht die Seite in uns, die um 21 Uhr auf dem Sofa liegend zu den Erdnüssen greift oder die morgens depressiv ist und nicht aufstehen mag.
Wenn wir wieder mit uns allein sind, wenn die wohltuende Wirkung des Erlaubnis-Raumes unseres Gegenübers nachlässt – manchmal ist es schon am selben Abend, manchmal nach ein paar Tagen –, werden wir uns erneut innerhalb unseres Schutzprogramms bewegen.
Das ist kein Fehler! Das ist nicht verkehrt! Sondern vielmehr eine Einladung, sich nicht nur auf einen Rettungsring zu stützen, sondern selbst das Schwimmen zu erlernen.
Aber Vorsicht vor dem Umkehrschluss, den manche Menschen irrtümlicherweise dann ziehen könnten, nämlich „Ich muss es alleine schaffen! Ich muss alleine Schwimmen lernen!“ Das ist nur die Kehrseite der Medaille, also eine Dynamik, die sich ebenfalls aus einer biografischen Verletzung heraus speist, und damit noch voll aus dem biografischen Schutzprogramm heraus wirkt.
Du musst gar nichts alleine schaffen! Abgesehen davon, dass es nichts zu schaffen gibt, ist es wunderbar, sich Hilfe zu holen! Und – nicht aber – UND es ist sehr wichtig, zum Einen, dass die Unterstützung, die wir uns holen, darauf ausgerichtet ist, dass wir selbst das Schwimmen lernen können und nicht nur dass uns jemand einen Erlaubnisraum schenkt, der sich zwar gut anfühlt und in dem wir tiefe Erfahrungen machen können, den wir aber mit uns selbst, wenn wir alleine sind, gar nicht herstellen können. Und zum anderen, dass wir uns gewahr werden, dass es letztendlich darum geht – mit all der Behutsamkeit und der liebevollen Langsamkeit, die benötigt wird – dass es letztendlich um die Momente geht, in denen wir mit uns selbst sind, wenn wir alleine sind, oder – im spirituellen Kontext – wenn wir mit uns und dem Höheren sind.
Früher oder später werden wir um diesen Punkt nicht herumkommen. Warum? Weil erst wenn diese Ausrichtung klar ist, wenn wir an diesem Punkt in kleinsten Schritten uns selbst begegnen lernen, dass wir erst dann in die bisher noch gar nicht wahrnehmbare Unglaublichkeit kommen, uns selbst noch einmal ins Leben zu gebären. Wir holen uns ganz tief innerlich ab. Wir spüren, wie die Liebe uns an dieser Stelle die Hand reicht und sagt: „Komm! Sei!“
Mit all der Zeit, die es benötigt! Du brauchst nichts zu schaffen! Du brauchst nicht anders zu sein, als Du bist! Es geht nicht darum, etwas zu schaffen, sondern die Dynamiken in Dir kennen- und begleiten zu lernen, die in dieser Ausrichtung aufkommen: All den Seiten in Dir, die Nein sagen, all den Seiten, die im Widerstand hängen – aus guten Gründen im Widerstand hängen! All den Seiten, die es nicht alleine tun wollen! Die wollen, dass jemand kommt und es wieder gut macht! Ebenfalls aus sehr guten Gründen!
Es geht nicht darum, aus einem Nein ein Ja zu machen! Abgesehen davon, dass es ohnehin in der Tiefe nicht funktioniert, halte ich das für sehr gewaltvoll und letztlich nur für die Wiederholung der biografischen Verletzung, wie ich vorhin schon einmal sagte, „Sei anders! Sei so, wie ich meine, dass Du richtig bist!“
Wenn die Liebe uns in dieser Tiefe findet, erleben viele, vermutlich zum ersten Mal, eine tiefe emotionale Intimität mit sich selbst und dadurch auch mit dem Höheren, weil wir plötzlich beginnen, uns emotional – nicht nur mental – sondern emotional nicht mehr durch den Filter unseres verletzten Ichs wahrzunehmen (also letztlich durch den Filter unserer Biografie), sondern in einem viel größeren Seinsraum. Ganz pur.
Wir erfahren plötzlich, dass wir mehr sind als unsere Biografie. Nicht als ein Konzept „Du bist mehr als Deine Biografie“, sondern als tiefe Erfahrung. Und es ist auch normal, dass uns diese Verbindung lange Zeit auf unserem Weg immer wieder mal abhanden kommt. Es ist ein Prozess!
Aber wenn wir dranbleiben, erleben wir eine Liebe, die die ganze Zeit tief in uns geatmet hat. Wir wachen aus unserem Schutzprogramm auf! Wir erleben, dass wir die Expert:in für uns selbst sind. Dass wir unser eigener Guru und gleichzeitig unsere eigene Schüler:in sind.
Und lass mich bitte noch einmal betonen, weil ich weiß, wie schnell unser Schutzprogramm uns in ein Schwarz-Weiß-Denken zieht: Es ist wunderbar, sich Unterstützung zu holen! Das Entscheidende ist die Ausrichtung dessen: echtes Schwimmenlernen oder sich im Alltag abkämpfen und sich dann auf einem Rettungsring ausruhen?
Nichts gegen das Ausruhen! Auch das brauchen wir manchmal! Solange wir nicht oder nicht ausreichend schwimmen können, brauchen wir Rettungsringe! Aber das Entscheidende ist die Ausrichtung.
Wir haben uns vor vielen Jahren, nämlich als Kind, von unserer Ganzheitlichkeit abschneiden müssen. Wir sind, wie schon erwähnt, in einen Kampf gegen uns selbst eingetreten, damit wir psychisch und körperlich überleben konnten.
Auch wenn wir damals keine andere Wahl hatten und es sehr gut war, dass wir das getan haben, dass wir auf diese Weise „psychisch gesund“ bleiben konnten, waren es wir selbst, die uns von der Ganzheitlichkeit und damit von der Urverbindung getrennt haben. Wir mussten dafür Seiten in uns, nämlich die, die niemand haben wollte, zurücklassen.
Deshalb haben letztlich auch nur wir selbst den Schlüssel in der Hand, um uns hier, an dieser Stelle wieder abholen zu können.
Unser Gegenüber kann uns eine sehr wertvolle Brücke sein und Referenzen ermöglichen. Aber wenn wir den größeren Bogen nehmen, geht es darum, dass wir auf längere Sicht – mit aller Hilfe, die wir bis dahin benötigen – selbstständig über diese Brücke gehen.
Auch hier trifft die Psychologie die Spiritualität: Aus der tiefen menschlichen Verletzung heraus, aus der Tiefe heraus in das Höhere hinein. Auf dass wir uns in beide Richtungen weitend erleben und damit unser Menschsein neu erfahren.
Ich danke Dir für Dein Mit-mir-sein und grüße Dich von Herzen.
Deine Maria Sanchez
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